Grängierstuba

TERRASSE ODER: DAS GUTE LIEGT SO NAH

Da wären sie also wieder offen, die Restaurants. Das heisst so halb oder je nach Petrus’s Lust und Laune auch gar nicht wirklich. Auf jeden Fall dürfen Frau und Mann wieder wirten.

Das tun wir auch in der Grängierstuba. Der Dorfplatz ist mit rund 30 Sitzplätzen betischt und bestuhlt, für ein Zuviel an Sonne hat’s Sonnenschutz und bei Regen geht man einfach heim oder kommt erst gar nicht. Punkt.

Und was bringt’s? Den Gästen gibt eine offene Terrasse im Dorf ein wenig Freiheit, ein wenig Normalität zurück. Auch mir als Ausschenkender hat es gefehlt, sich irgendwo hinzufletzen, ein Ballon zu bestellen und die Zeit zu vergessen. Die Stammgäste sind denn auch fleissig zurückgekommen in oder besser vor die Grängierstuba. Dankeschön.

Für die Ausschenkenden in der Grängierstuba ist das Ganze auch nicht ohne. Denn endlich kann man sich wieder mit den Leuten unterhalten, statt sie am Tresen bei der Übergabe des Take away knapp und durch die Maske abzufertigen. Frau und Mann können wieder «gastgeben», dürfen wieder etwas Normalität spüren und verbreiten.

OK, bei 9 Grad draussen in der Daunenjacke essen ist jetzt nicht der Hammer – auch wenn der Weisse im Glas so ungewöhnlich frisch und süffig bleibt und das Bier gefählich nahe an den Gefrierpunkt kommt. Am Kaffee verbrennt man sich auch nicht wirklich die Lippen, wenn er 30 Sekunden auf dem Tisch steht. Und das Raclette verwandelt sich trotz glühendem Teller razfaz in seinen ursprünglich festen Zustand zurück.

Trotzdem harren die Leute aus. Sie wehren sich gegen den Wind. Das Wetter. Die Kälte. In der Not auch gegen die pralle Sonne. Sie murren nicht, wenn sie mal etwas warten müssen. Sie begehren nicht auf, wenn Frau und Herr Ausschenkende Sie zum Bestellen der Getränke an die Bar zitieren.

Sie sind schlichtweg froh über das Wenige an Normalität, das sie wieder geniessen dürfen. Genau dieses Gefühl haben auch wir als Wirtsleute: ein Schritt näher am Alltag, den Alltag, dem Frau und Mann doch früher so gern entflohen sind; per Flugzeug auf die Antillen; per Schiff in die Karibik; per Zug nach Venedig; per Auto ans Mittelmeer.

Und plötzlich bedeutet Flucht vor dem Alltag, aus den eigenen vier Wänden raus und 100 Meter weiter in die Gartenbeiz sitzen. Wünsche werden kleiner, deren Wirkung aber ungleich grösser. Ich kann Corona echt nicht viel Positives abverlangen. Aber dieser kleine Schritt zurück zur wirklichen Normalität vor der Haustür statt dem Traum in der Ferne hinterherzuhächeln, das dürfte in meinen Augen auch noch länger anhalten.

Nicht, weil ich damit als Beizer mein Geld verdiene. Oder nicht nur. Sondern, weil das alte Sprichwort damit in den Mittelpunkt rückt: «Warum denn in die Ferne schweifen, sieh, das Gute liegt so nah!»

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2 Comments

  1. Beyerle 1. Mai 2021

    Genau so ist es! Sehr gut und lieb geschrieben.

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